Höhere technische Frequenzen in der Normung

Normenentwurf IEC 62631-2-2 (von 1 MHz bis 300 MHz)
1 Juni, 2021 by
Höhere technische Frequenzen in der Normung
CMC Klebetechnik GmbH

Neue technische Möglichkeiten in der Leistungselektronik machen deutlich höhere Schaltfrequenzen bei hohen Spannungen möglich. Dies belastet Isolierstoffe in einem enormen Maß – neue Normen(-Entwürfe) berücksichtigen dies und erweitern die Basisnorm der Isolationskoordination.

Seit über zwei Jahrzehnten werden Wechselrichter zur Motorregelung eingesetzt. Erst mit diesen elektronisch gesteuerten Stromversorgungen war es möglich, ohne einen komplizierten Wicklungsaufbau variable Drehzahlen zu realisieren. Mit dieser Entwicklung gelang auch ein entscheidender Schritt hin zu mehr Energieeinsparung.

Lange Zeit gab es für hohe Sperrspannungen nur vergleichsweise langsame Transistorschalter. Für den technischen Frequenzbereich zwischen 15 – 30 kHz reichten daher die vorhandenen Normen wie zum Beispiel die IEC 62631-2-1 aus. Doch neue Leistungstransistoren (z.B. SiC-MOSFET) erlauben heute Schaltfrequenzen und vor allem Schaltzeiten, die in den MHz-Bereich reichen. 

Der Normentwurf IEC 62631-2-2 Ed. 1.0 (2020) behandelt daher aus gutem Grund die „Dielektrischen und resistiven Eigenschaften fester Elektroisolierstoffe“ bei Frequenzen von 1 MHz bis 300 MHz. Neben den höheren Schaltfrequenzen werden so vor allem die energiereichen Oberwellen miterfasst.

Anwendungstechnik

Gerald Friederici

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an:

Gerald Friederici

Tel.: +49 6233 872 356

E-Mail: friederici (at) cmc.de

Höhere Frequenzen, mehr Verluste im Isolator

Ein Grund für diese Normungsinitiative ist das sich ändernde Verhalten von Isolierstoffen bei hohen Wechselfrequenzen. 

Dazu eine kurze Erläuterung: Die meisten Polymere enthalten polare Bestandteile. Diese polaren Bereiche der Polymerkette werden durch das äußere elektrische Wechselfeld angeregt. Sie versuchen sich entsprechend auszurichten. Die dabei induzierte Bewegungsenergie kann gleichgesetzt werden mit der Inneren Energie des Isolators – oder in anderen Worten: die Temperatur im Polymer wird erhöht. Anschaulich wird das, wenn man sich das sehr polaren Wassermolekül (H2O) im hochfrequenten Wechselfeld einer Mikrowelle anschaut: Es beginnt zu kochen!

Aufgrund der unterschiedlichen Molekülgrößen, den unterschiedlichen Vernetzungsgraden und der sich unterscheidenden chemischen Struktur gibt es keine so genau festlegbare Resonanzfrequenz, bei der ein Material ähnlich Wasser besonders stark auf das äußere elektrische Feld reagiert. Dennoch kann der Energieeintrag eine merkliche Erwärmung des Isolationsmaterials bewirken. Diese Erwärmung zieht dann alle anderen Prozesse der thermischen Alterung nach sich.

Die massiv beschleunigte Entwicklung in der Elektromobilität bewirkt auch bei anderen Normen eine Aufweitung der „Technischen Frequenzen“. Denn Frequenzen im Bereich 16 1/3 Hz, 50 Hz, 60 Hz oder bis ca. 15 kHz in üblichen Schaltnetzteilen belasten Isolationswerkstoffe nicht. Ganz anders verhält es sich mit den hochfrequenten Impulsen bei der Ansteuerung der Antriebsmotoren und den Powerunits im Fahrzeug und der Ladesäule.

Hohe Feldstärken bei hohen Frequenzen

Verschärfend kommt zu den hohen Frequenzen die immer größer werdende Feldstärke. Betriebsspannungen über 1000 V sind heute bereits „üblich“. Der Leitfaden IEC/TS 62993:2020 erweitert bereits die Isolationskoordination der IEC 60664 auf Betriebsspannungen von >1000 VAC bis 2000 VAC (>1500 VDC bis 3000 VDC).

Der kombinierte elektrische Stress belastet Isolationswerkstoffe auf bisher nur wenig untersuchter Weise. Daher ist der Zusammenhang zwischen Frequenz, Feldstärke und (Wärme-)Alterung Inhalt vieler aktueller Forschungsprojekte. Denn anders als bei der Kleinspannung bis 48 VAC (Mild Hybrid) sind bei diesen Spannungen Isolationsfehler immer auch lebensbedrohlich.

Derzeit wird in den verschiedenen Normengremien wie ASTM, IEC, ISO und vielen nationalen Normungsorganisationen intensiv daran gearbeitet, die zum Teil schon lange vorhandenen und erfolgreichen Querschnittsnormen (z.B. IEC 60664 Isolationskoordination) und Produktnormen (z.B. IEC 60034 Drehende elektr. Maschinen) an die Erfordernisse der zukünftigen Energiewirtschaft und Energienutzung anzupassen. Die Elektromobilität ist dabei nur der in der Öffentlichkeit besonders sichtbare Teil.